Roman

Heinrich Böll Ansichten eines Clowns


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dtv

Heinrich Böll,


1917 in Köln geboren, arbeitete nach dem Abitur als Lehrling im Buchhandel; erste schriftstellerische Versuche. 1945, nach sechs Kriegsjahren als Soldat, kehrte Böll zurück nach Köln, studierte Germanistik und verdiente seinen Unterhalt als Hilfsarbeiter. 1949 veröffentlichte er sein erstes Buch ›Der Zug war pünktlich danach in rascher Folge Erzählungen, Romane, Hörspiele. Alle Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

Wichtige Werke: ›Wanderer, kommst du nach Spa... ‹, ›Wo warst du, Adam‹, ›Und sagte kein einziges Wort‹, ›Haus ohne Hüter‹, Billard um halb zehn‹. Im dtv liegen vor: ›lrisches Tagebuch‹ (Bd. 1), ›Hierzulande. Aufsätze zur Zeit‹ (Sonderreihe Bd. 11), ›Zum Tee bei Dr. Borsig‹, Hörspiele (Bd. 200), ›Als der Krieg ausbrach Erzählungen (Bd. 339),

›Nicht nur zur Weihnachtszeit‹, Satiren (Bd. 350).


Großband


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Über dieses Buch


Bereits mit dem Vorabdruck dieses Romans in der Süddeutschen Zeitung ‹ wurde eine überaus intensive und ungewöhnlich weitreichende Diskussion ausgelöst. Bölls Ansichten eines Clowns ‹ standen über Monate hinaus im Brennpunkt des Gesprächs, und nicht allein bei der literarischen Kritik. Das Mißverständnis vom angeblichen »Anti-Katholizismus« des Autors trug nicht wenig zu dieser starken Resonanz bei. Jedoch hat Böll nur einen Außenseiter dargestellt, der mehr als andere unter den bornierten Phrasen, der Unbarmherzigkeit und bequemen Moral unserer Wohlstandsgesellschaft leidet. Hans Schnier, Sohn aus reichem Hause, will lieber ein ehrlicher Clown als ein Heuchler sein. Sechs Jahre lang hat er mit Marie in einer nicht legalisierten Ehe gelebt. Marie verläßt ihn, weil er sich nicht verpflichten will, die aus dieser freien Ehe zu erwartenden Kinder katholisch erziehen zu lassen. Schnier ist diesem Verlust nicht gewachsen. Einst ein durchaus gefragter Pantomime und Spaßmacher, sitzt er am Ende zum Bettler degradiert mitten im Karnevalstreiben auf den Stufen des Bonner Bahnhofs, wo Marie, die inzwischen einen einflußreichen »fortschrittlichen« Katholiken geheiratet hat, von der Hochzeitsreise zurückkehren wird. »Böll hat sich diesmal von einer heilsamen Bitterkeit leiten lassen, und sie hat ihn weitergebracht als der

begreifliche Wunsch nach Einebnung und Begütigung es hätte tun können.

Ungekürzte Ausgabe Januar 1967

Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

© 1963 Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln • Berlin Umschlaggestaltung: Celestino Piatti Gesamtherstellung: C. H. Beck'sche Buchdruckerei, Nördlingen

Printed in Germany

Für Annemarie

Die werden es sehen, denen von Ihm noch nichts verkündet ward, und die verstehen, die noch nichts vernommen haben.

Es war schon dunkel, als ich in Bonn ankam, ich zwang mich, meine Ankunft nicht mit der Automatik ablaufen zu lassen, die sich in fünfjährigem Unterwegssein herausgebildet hat: Bahnsteigtreppe runter, Bahnsteigtreppe rauf, Reisetasche abstellen, Fahrkarte aus der Manteltasche nehmen, Reisetasche aufnehmen, Fahrkarte abgeben, zum Zeitungsstand, Abendzeitungen kaufen, nach draußen gehen und ein Taxi heranwinken. Fünf Jahre lang bin ich fast jeden Tag irgendwo abgefahren und irgendwo angekommen, ich ging morgens Bahnhofstreppen rauf und runter und nachmittags Bahnhofstreppen runter und rauf, winkte Taxis heran, suchte in meinen Rocktaschen nach Geld, den Fahrer zu bezahlen, kaufte Abendzeitungen an Kiosken und genoß in einer Ecke meines Bewußtseins die exakt einstudierte Lässigkeit dieser Automatik. Seitdem Marie mich verlassen hat, um Züpfner, diesen Katholiken, zu heiraten, ist der Ablauf noch mechanischer geworden, ohne an Lässigkeit zu verlieren. Für die Entfernung vom Bahnhof zum Hotel, vom Hotel zum Bahnhof gibt es ein Maß: den Taxameter. Zwei Mark, drei Mark, vier Mark fünfzig vom Bahnhof entfernt. Seitdem Marie weg ist, bin ich manchmal aus dem Rhythmus geraten, habe Hotel und Bahnhof miteinander verwechselt, nervös an der Portierloge nach meiner Fahrkarte gesucht oder den Beamten an der Sperre nach meiner Zimmernummer gefragt, irgendetwas, das Schicksal heißen mag, ließ mir wohl meinen Beruf und meine Situation in Erinnerung bringen. Ich bin ein Clown, offizielle Berufsbezeichnung: Komiker, keiner Kirche steuerpflichtig, siebenundzwanzig Jahre alt, und eine meiner Nummern heißt: Ankunft und Abfahrt, eine (fast zu) lange Pantomime, bei der der Zuschauer bis zuletzt Ankunft und Abfahrt verwechselt; da ich diese Nummer meistens im Zug noch einmal durchgehe (sie besteht aus mehr als sechshundert Abläufen, deren Choreo-


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graphie ich natürlich im Kopf haben muß), liegt es nahe, daß ich hin und wieder meiner eigenen Phantasie erliege: in ein Hotel stürze, nach der Abfahrtstafel ausschaue, diese auch entdecke, eine Treppe hinauf- oder hinunterrenne, um meinen Zug nicht zu versäumen, während ich doch nur auf mein Zimmer zu gehen und mich auf die Vorstellung vorzubereiten brauche. Zum Glück kennt man mich in den meisten Hotels; innerhalb von fünf Jahren ergibt sich ein Rhythmus mit weniger Variationsmöglichkeiten, als man gemeinhin annehmen mag - und außerdem sorgt mein Agent, der meine Eigenheiten kennt, für eine gewisse Reibungslosigkeit. Was er

»die Sensibilität der Künstlerseele« nennt, wird voll respektiert, und eine »Aura des Wohlbefindens« umgibt mich, sobald ich auf meinem Zimmer bin: Blumen in einer hübschen Vase, kaum habe ich den Mantel abgeworfen, die Schuhe (ich hasse Schuhe) in die Ecke geknallt, bringt mir ein hübsches Zimmermädchen Kaffee und Kognak, läßt mir ein Bad einlaufen, das mit grünen Ingredienzien wohlriechend und beruhigend gemacht wird. In der Badewanne lese ich Zeitungen, lauter unseriöse, bis zu sechs, mindestens aber drei, und singe mit mäßig lauter Stimme ausschließlich Liturgisches: Choräle, Hymnen, Sequenzen, die mir noch aus der Schulzeit in Erinnerung sind. Meine Eltern, strenggläubige Protestanten, huldigten der Nachkriegsmode konfessioneller Versöhnlichkeit und schickten mich auf eine katholische Schule. Ich selbst bin nicht religiös, nicht einmal kirchlich, und bediene mich der liturgischen Texte und Melodien aus therapeutischen Gründen: sie helfen mir am besten über die beiden Leiden hinweg, mit denen ich von Natur belastet bin: Melancholie und Kopfschmerz. Seitdem Marie zu den Katholiken übergelaufen ist (obwohl Marie selbst katholisch ist, erscheint mir diese Bezeichnung angebracht), steigert sich die Heftigkeit dieser beiden Leiden, und selbst das Tantum Ergo oder die Lauretanische Litanei, bisher meine Favoriten in der Schmerzbekämpfung, helfen

kaum noch. Es gibt ein vorübergehend wirksames Mittel:

Alkohol -, es gäbe eine dauerhafte Heilung: Marie; Marie hat mich verlassen. Ein Clown, der ans Saufen kommt, steigt rascher ab, als ein betrunkener Dachdecker stürzt.

Wenn ich betrunken bin, führe ich bei meinen Auftritten Bewegungen, die nur durch Genauigkeit gerechtfertigt sind, ungenau aus und verfalle in den peinlichsten Fehler, der einem Clown unterlaufen kann: ich lache über meine eigenen Einfälle. Eine fürchterliche Erniedrigung. Solange ich nüchtern bin, steigert sich die Angst vor dem Auftritt bis zu dem Augenblick, wo ich die Bühne betrete (meistens mußte ich auf die Bühne gestoßen werden), und was manche Kritiker »diese nachdenkliche, kritische Heiterkeit« nannten, »hinter der man das Herz schlagen hört«, war nichts anderes als eine verzweifelte Kälte, mit der ich mich zur Marionette machte; schlimm übrigens, wenn der Faden riß und ich auf mich selbst zurückfiel. Wahrscheinlich existieren Mönche im Zustand der Kontemplation ähnlich; Marie schleppte immer viel mystische Literatur mit sich herum, und ich erinnere mich, daß die Worte »leer« und »nichts« häufig darin vorkamen.

Seit drei Wochen war ich meistens betrunken und mit trügerischer Zuversicht auf die Bühne gegangen, und die Folgen zeigten sich rascher als bei einem säumigen Schüler, der sich bis zum Zeugnisempfang noch Illusionen machen kann; ein halbes Jahr ist eine lange Zeit zum Träumen. Ich hatte schon nach drei Wochen keine Blumen mehr auf dem Zimmer, in der Mitte des zweiten Monats schon kein Zimmer mit Bad mehr, und Anfang des dritten Monats betrug die Entfernung vom Bahnhof schon sieben Mark, während die Gage auf ein Drittel geschmolzen war. Kein Kognak mehr, sondern Korn, keine Varietes mehr: merkwürdige Vereine, die in dunklen Sälen tagten, wo ich auf einer Bühne mit miserabler Beleuchtung auftrat, wo ich nicht einmal mehr ungenaue Bewegungen, sondern bloß noch Faxen machte,

über die sich Dienstjubilare von Bahn, Post, Zoll, katholische Hausfrauen oder

biertrinkende Bundeswehroffiziere, deren Lehrgangsabschluß ich verschönte, nicht recht wußten, ob sie lachen durften oder nicht, wenn ich die Reste meiner Nummer Verteidigungsrat vorführte, und gestern, in Bochum, vor Jugendlichen, rutschte ich mitten in einer Chaplin-Imitation aus und kam nicht wieder auf die Beine. Es gab nicht einmal Pfiffe, nur ein mitleidiges Geraune, und ich humpelte, als endlich der Vorhang über mich fiel, rasch weg, raffte meine Klamotten zusammen und fuhr, ohne mich abzuschminken, in meine Pension, wo es eine fürchterliche Keiferei gab, weil meine Wirtin sich weigerte, mir mit Geld für das Taxi auszuhelfen. Ich konnte den knurrigen Taxifahrer nur beruhigen, indem ich ihm meinen elektrischen Rasierapparat nicht als Pfand, sondern als Bezahlung übergab. Er war noch nett genug, mir eine angebrochene Packung Zigaretten und zwei Mark bar herauszugeben. Ich legte mich angezogen auf mein ungemachtes Bett, trank den Rest aus meiner Flasche und fühlte mich zum ersten Mal seit Monaten vollkommen frei von Melancholie und Kopfschmerzen. Ich lag auf dem Bett in einem Zustand, den ich mir manchmal für das Ende meiner Tage erhoffe: betrunken und wie in der Gosse. Ich hätte mein Hemd hergegeben für einen Schnaps, nur die komplizierten Verhandlungen, die der Tausch erfordert hätte, hielten mich von diesem Geschäft ab. Ich schlief großartig, tief und mit Träumen, in denen der schwere Bühnenvorhang als ein weiches, dickes Leichentuch über mich fiel wie eine dunkle Wohltat, und doch spürte ich durch Schlaf und Traum hindurch schon die Angst vor dem Erwachen: die Schminke noch auf dem Gesicht, das rechte Knie geschwollen, ein mieses Frühstück auf Kunststofftablett und neben der Kaffeekanne eine Telegramm meines Agenten:

»Koblenz und Mainz haben abgesagt Stop Anrufe abends Bonn. Zohnerer.« Dann ein Anruf vom Veranstalter, durch den ich jetzt erst erfuhr, daß er dem christlichen Bildungswerk vorstand. »Kostert«, sagte er am Telefon, auf eine subalterne Weise

eisig, »wir müssen die Honorarfrage noch klären,

Herr Schnier.« »Bitte«, sagte ich, »dem steht nichts im Wege.«


»So?« sagte er. Ich schwieg, und als er weitersprach, war seine billige Eisigkeit schon zu simplem Sadismus geworden. »Wir haben einhundert Mark Honorar für einen Clown ausgemacht, der damals zweihundert wert war« - er machte eine Pause, wohl, um mir Gelegenheit zu geben, wütend zu werden, aber ich schwieg, und er wurde wieder wie er von Natur aus war, ordinär, und sagte: »Ich stehe einer gemein- nützigen Vereinigung vor, und mein Gewissen verbietet es mir, hundert Mark für einen Clown zu zahlen, der mit zwanzig reichlich, man könnte sagen großzügig bezahlt ist.« Ich sah keinen Anlaß, mein Schweigen zu brechen. Ich steckte mir eine Zigarette an, goß mir noch von dem miesen Kaffee ein, hörte ihn schnaufen; er sagte:

»Hören Sie noch?« Und ich sagte: »Ich höre noch«, und wartete. Schweigen ist eine gute Waffe; ich habe während meiner Schulzeit, wenn ich vor den Direktor oder vors Kollegium zitiert wurde, immer konsequent geschwiegen. Ich ließ den christlichen Herrn Kostert da hinten am anderen Ende der Leitung schwitzen; um Mitleid mit mir zu bekommen, war er zu klein, aber es reichte bei ihm zum Selbstmitleid, und schließlich murmelte er: »Machen Sie mir doch einen Vorschlag, Herr Schnier.«

»Hören Sie gut zu, Herr Kostert«, sagte ich, »ich schlage Ihnen folgendes vor: Sie nehmen ein Taxi, fahren zum Bahnhof, kaufen mir eine Fahrkarte erster Klasse nach Bonn -, kaufen mir eine Flasche Schnaps, kommen ins Hotel, bezahlen meine Rechnung einschließlich Trinkgeld und deponieren hier in einem Umschlag soviel Geld, wie ich für ein Taxi zum Bahnhof brauche; außerdem verpflichten Sie sich bei Ihrem christlichen Gewissen, mein Gepäck kostenlos nach Bonn zu befördern. Einverstanden?«

Er rechnete, räusperte sich, und sagte: »Aber ich wollte Ihnen fünfzig Mark geben.«

»Gut«, sagte ich, »dann fahren Sie mit der Straßenbahn,

dann wird das ganze billiger für Sie als fünfzig Mark. Einverstanden?«


Er rechnete wieder und sagte: »Könnten Sie nicht das Gepäck im Taxi mitnehmen?«

»Nein«, sagte ich, »ich habe mich verletzt und kann mich nicht damit abgeben.« Offenbar fing sein christliches Gewissen an, sich heftig zu regen. »Herr Schnier«, sagte er milde, »es tut mir leid, daß ich . . .« »Schon gut, Herr Kostert«, sagte ich,

»ich bin ja so glücklich, daß ich der christlichen Sache vier- bis sechsundfünfzig Mark ersparen kann.« Ich drückte auf die Gabel und legte den Hörer neben den Apparat. Es war der Typ, der noch einmal angerufen und sich auf eine langwierige Art ausgeschleimt hätte. Es war viel besser, ihn ganz allein in seinem Gewissen herumpopeln zu lassen. Mir war elend. Ich vergaß zu erwähnen, daß ich nicht nur mit Melancholie und Kopfschmerz, noch mit einer anderen, fast mystischen Eigenschaft begabt bin: ich kann durchs Telefon Gerüche wahrnehmen, und Kostert roch süßlich nach Veilchenpastillen. Ich mußte aufstehen und mir die Zähne putzen. Ich gurgelte mit einem Rest Schnaps nach, schminkte mich mühsam ab, legte mich wieder ins Bett und dachte an Marie, an die Christen, an die Katholiken und schob die Zukunft vor mir her. Ich dachte auch an die Gossen, in denen ich einmal liegen würde. Für einen Clown gibt es, wenn er sich den fünfzig nähert, nur zwei Möglichkeiten: Gosse oder Schloß. Ich glaubte nicht an das Schloß und hatte bis fünfzig noch mehr als zweiundzwanzig Jahre irgendwie hinter mich zu bringen. Die Tatsache, daß Koblenz und Mainz abgesagt hatten, war das, was Zohnerer als »Alarmstufe I« bezeichnen würde, aber es kam auch einer weiteren Eigenschaft, die zu erwähnen ich vergaß, entgegen: meiner Indolenz. Auch Bonn hatte Gossen, und wer schrieb mir vor, bis fünfzig zu warten? Ich dachte an Marie: an ihre Stimme und ihre Brust, ihre Hände und ihr Haar, an ihre Bewegungen und an alles, was wir miteinander getan

hatten. Auch an Züpfner, den sie heiraten wollte. Wir hat-

ten uns als Jungen ganz gut gekannt, so gut, daß wir, als wir uns als Männer wiedertrafen, nicht recht wußten, ob wir du oder Sie zueinander sagen sollten, beide Anreden setzten uns in Verlegenheit, und wir kamen, sooft wir uns sahen, aus dieser Verlegenheit nicht raus. Ich verstand nicht, daß Marie ausgerechnet zu ihm übergelaufen war, aber vielleicht hatte ich Marie nie »verstanden«.

Ich wurde wütend, als ich ausgerechnet durch Kostert aus meinem Nachdenken geweckt wurde. Er kratzte an der Tür wie ein Hund und sagte: »Herr Schnier, Sie müssen mich anhören. Brauchen Sie einen Arzt?« »Lassen Sie mich in Frieden«, rief ich, »schieben Sie den Briefumschlag unter der Tür durch und gehen Sie nach Hause.«

Er schob den Briefumschlag unter die Tür, ich stand auf, hob ihn auf und öffnete ihn: es war eine Fahrkarte zweiter Klasse von Bochum nach Bonn drin und das Taxigeld war genau abgezählt: Sechs Mark und fünfzig Pfennig. Ich hatte gehofft, er würde es auf zehn Mark abrunden, und mir schon ausgerechnet, wieviel ich herausschlagen würde, wenn ich die Fahrkarte erster Klasse mit Verlust zurückgab und eine zweiter Klasse kaufte. Es wären ungefähr fünf Mark gewesen. »Alles in Ordnung?« rief er von draußen. »Ja«, sagte ich, »machen Sie, daß Sie weg kommen, Sie mieser christlicher Vogel.« - »Aber erlauben Sie mal«, sagte er, ich brüllte :

»Weg«. Es blieb einen Augenblick still, dann hörte ich ihn die Treppe hinuntergehen. Die Kinder dieser Welt sind nicht nur klüger, sie sind auch menschlicher und großzügiger als die Kinder des Lichts. Ich fuhr mit der Straßenbahn zum Bahnhof, um etwas Geld für Schnaps und Zigaretten zu sparen. Die Wirtin rechnete mir noch die Gebühren für ein Telegramm an, das ich abends nach Bonn an Monika Silvs aufgegeben, das Kostert zu bezahlen sich geweigert hatte. So hätte mein Geld für ein Taxi bis zum Bahnhof doch nicht gereicht; das

Telegramm hatte ich schon aufgegeben, bevor ich erfuhr, daß Koblenz abgesagt

Es wäre besser für mich gewesen, wenn ich hätte absagen können, telegrafisch


»Auftritt wegen schwerer Knieverletzung unmöglich.« Nun, wenigstens war das Telegramm an Monika fort »Bitte bereiten Sie Wohnung für morgen vor. Herzliche Grüße Hans.«